Unser Angebot
Eine Einzelfallberatung kommt in Betracht, wenn der Wille oder das Wohl eines Patienten unklar ist (z.B. weil er das Bewusstsein verloren hat) oder Konflikte vorliegen. In solchen Situationen kann unser Ethikkomitee angerufen und gebeten werden, eine solche Beratung durchzuführen (Beratungsanfrage).
Eine solche Beratung wäre etwa wichtig, wenn ein Patient [1] (z.B. weil er das Bewusstsein verloren hat) nicht mehr selbst ausdrücken kann, ob er künstlich ernährt werden möchte. Angehörige könnten die Hilfe eines Ethikkomitees besonders dringlich wünschen, wenn sie unterschiedliche Ansichten darüber haben, was ihr ins Koma gefallener Vater gewollt hätte. Aber auch Ärzte untereinander können verschiedener Meinung sein, was für den Patienten das Beste ist; die medizinische Sicht kann sich von der pflegerischen unterscheiden usw.
Ein Beispiel:
Eine 80jährige Frau erleidet nach einem längeren Krankenhausaufenthalt einen Schlaganfall und ist nicht mehr ansprechbar. Ihr Mann meint, sie solle künstlich ernährt werden; seinem Eindruck nach nehme sie liebevolle Berührung noch wahr und würde sich sicher wünschen weiterzuleben. Ihre Tochter glaubt dem gegenüber, dass die Mutter so nie hätte leben wollen. Die Tochter bittet das Ethikkomitee des Krankenhauses um Hilfe. Das Komitee stellt eine Beratungsgruppe zusammen, die in einem systematischen Vorgehen einen Konsens und eine entsprechende Empfehlung sucht.
Die Gruppe führt unter der Leitung einer ausgebildeten Ethikberaterin eine medizinethische Einzelfallberatung durch. Ihr gehören in diesem Beispiel der behandelnde Arzt, beteiligtes Pflegepersonal sowie der Krankenhausseelsorger an, zu dem die Mutter ein sehr vertrauensvolles Verhältnis hatte. Die Beraterin hat vor der Zusammenkunft der Gruppe ausführlich mit den Angehörigen gesprochen.
Grundsätzlich werden bei einer medizinethischen Einzelfallberatung die Tatsachen geklärt (etwa, ob eine Patientenverfügung vorliegt, welcher Krankheitsverlauf zu erwarten ist) und die Handlungsmöglichkeiten unter den Gesichtspunkten Respekt vor Autonomie, Nutzen für den Patienten, Nichtschaden und Gerechtigkeit beurteilt. Diese Gesichtspunkte sind medizinethische Prinzipien.
Die Aufgabe der Beratung besteht darin, mit dem Patienten, den Angehörigen und den an der Behandlung Beteiligten in einem strukturierten und moderierten offenen Gespräch zu einer guten und begründbaren gemeinsamen Lösung zu finden.
Dies mündet in eine Empfehlung für das weitere Vorgehen. Sie ist nicht rechtlich bindend. Grundsätzlich trifft die Entscheidung über die weitere Behandlung der behandelnde Arzt gemeinsam mit dem Patienten bzw. dessen Vertreter.
Je nach dem Aufenthaltsort des Patienten (Krankenhaus oder außerhalb, z.B. zu Hause, betreutes Wohnen, Pflegeheim) ist entweder ein klinisches oder ein ambulantes Ethikkomitee zuständig.
[1] Mit der männlichen Form sind stets alle Geschlechter gemeint